Die Einschätzung, ob eine Chemikalie die menschlichen Atemwege reizen wird, gründet sich oftmals auf Beobachtungen aus Toxizitätsstudien mit Nagern nach akuter (einmaliger) und wiederholter Inhalation der Substanz. Es gibt jedoch aktuell keine spezifischen Testprotokolle, um das Potenzial von Chemikalien oder Allergenen zur Reizung der menschlichen Atemwege zu bestimmen. Mangels spezifischer oder klar umrissener Richtlinien werden die Ergebnisse zu Atemwegsreizungen aus Studien zur akuten inhalativen Toxizität (Prüfrichtlinien (TG) 403 und 436) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die an Ratten durchgeführt wurden (OECD, 2009a, OECD 2009b), auf den Menschen extrapoliert. Dazu müssen die Protokolle so geändert werden, dass sie auch Untersuchungskriterien zur Atemwegsreizung enthalten, und es sind zusätzliche Dosisgruppen erforderlich.
Die Prüfung auf sensorische Reizung erfolgt mit dem Alarie-Test, in dem der RD50-Wert ermittelt wird, also die Konzentration einer Substanz, die bei Nagern eine 50-prozentige Verringerung der Atemfrequenz bewirkt (Alarie Y, 1966). Es ist jedoch schwierig, die Daten zur inhalativen Gefährdung von Nagern zu extrapolieren, um damit eine Aussage über das Potenzial zur Atemwegsreizung beim Menschen zu treffen.
Nach den Bestimmungen der europäischen Chemikalienverordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) kann der Hersteller einer Substanz in bestimmten Fällen, wenn keine inhalative Exposition zu erwarten ist, den Nachweis erbringen, dass der Stoff kein Risiko für die Atemwege darstellt. Bei den meisten Substanzen ist es jedoch wahrscheinlich, dass die inhalative Exposition eine Rolle spielt, und wenn es sich um einen Stoff handelt, der die Haut oder die Augen reizt, kann es schwierig sein, einen Verzicht auf Studien zur akuten inhalativen Exposition zu rechtfertigen. Ohne belastbare Modelle der Atemwegsreizung kann es passieren, dass Chemikalien die gesamte Forschungs- und Entwicklungskette durchlaufen und am Ende auf den Markt gelangen, obwohl sie möglicherweise die Atemwege reizen können.